DER WEIHNACHTSKUCHEN

Es
war kurz vor Morgengrauen, als viele Millionen Schneeflocken
erschienen, um sich ein Bild von der noch schlafenden Stadt zu
machen. Die langsam zur Erde rieselnden Flocken bedeckten die Häuser
wie eine weiche Decke und es schien, als wollte der dichte Schnee die
Landschaft mit einem unendlichen Vorhang bedecken. Sogar die
Straßenlaternen hatten keine Lust zu leuchten und schliefen.
Bestimmt waren sie der Meinung, dass jeder sich einmal eine Ruhepause
verdient hatte.
Nur
der wirbelnde, kalte Wind tanzte in der Dunkelheit mit den frischen
Schneesternen. Hin und her trug er die Schneehügelchen, ließ sie
dann neckisch vor den Haustüren liegen, um sich elegant in Richtung
des geschmückten Kirchenturms davonzustehlen.
Der
hohe, spitze und mit bunten Ziegeln bedeckte Turm ragte
respekteinflößend über der Stadt empor. Er beherbergte sechs
Glocken und eine kleine, flauschige Meise. Der winzige Vogel schlief
gerade auf einem Holzbalken.

Plötzlich
fuhr der kalte Winterwind zwischen die Glocken und riss das träumende
Tierchen vom Balken herunter. Die kleine Meise wurde jäh aus ihrem
Schlaf gerissen. Weit fiel sie jedoch nicht, denn mit einem lauten
"Klong!" landete das Vögelchen auf einer der Glocken. Diese
begann zu läuten. Dabei rutschte das kleine Federtier herunter und
fiel weiter, landete aber zum Glück auf einem weichen Sack, der auf
dem Boden lag. Arme kleine Meise! Ihr taten alle Knochen in ihrem
kleinen Körper weh und vor Schreck traute sie sich eine Weile lang
nicht, sich zu bewegen.
Das
Vögelchen starrte in Gedanken versunken auf die Glocken, seufzte
dann laut und dachte: "Was gäbe ich jetzt für ein leckeres
Frühstück! Bei wem könnte man wohl zu dieser frühen Stunde
einkehren und um einige Krümel bitten? Um diese Zeit schlafen doch
noch alle!"
